„Nur eine Idee hat die Kraft, sich so weit zu verbreiten.“ – Mies van der Rohe, letzter Direktor des Bauhauses.
Gepflegte Kälte, moderne Sachlichkeit – dafür steht die Bauhausschule noch über 100 Jahre nach ihrer Gründung. Was 1919 als Idee von einer neuen Baukunst begann, entwickelte sich zur einflussreichsten Kunstschule Deutschlands und zum Wegbereiter der minimalistischen Moderne.
Nüchtern, schnörkellos, reduziert – das sind klassische Adjektive, die wir mit dem Bauhausstil verbinden. Doch „das Bauhaus“ selbst beschreibt keine konkrete Stilrichtung, sondern vielmehr ein radikal neues Verständnis von der modernen Gestaltung. Dessen Ideen wurden über 14 Jahre an drei Orten gelehrt, umgesetzt und weiterentwickelt: an dem Staatlichen Bauhaus in Weimar, an der Hochschule für Gestaltung in Dessau und an einer privaten Lehranstalt in Berlin. An diesen Lehreinrichtungen ging der Bauhausstil aus ganz unterschiedlichen Stilen, handwerklichen Disziplinen und künstlerischen Ansätzen hervor.
Der Architekt Walter Gropius gründete die Bauhausschule in Weimar mit der Idee, Kunst und Handwerk zu vereinen, um gebräuchliche Produkte zu entwickeln. Nach der opulenten Gestaltung des 19. Jahrhunderts wollte er eine neue „Baukunst“ erschaffen, bei der soziale und gesellschaftliche Aspekte eine übergeordnete Rolle spielen. Gropius war überzeugt, dass ein Objekt zugleich schön, zweckmäßig und für alle zugänglich sein sollte. Der Bauhausstil verfolgte somit eine ganz neue Herangehensweise, bei der es nicht mehr um das künstlerische Einzelwerk ging, sondern um funktionale Alltagsgegenstände.
Einfache, symmetrische Formen, ungewöhnliche Materialien und Komplementärfarben sind typische Merkmale des Bauhausstils. Maßgeblich für die Entwürfe waren jedoch keine konkreten Gestaltungsvorgaben, sondern zwei grundlegende Ansätze:
1. Produkte im Bauhausstil vermischen Handwerk, Technik, Kunst und Industrie.
2. „Schön“ ist, was funktioniert. Ästhetik und Form richten sich nach der reinen Nützlichkeit des Ergebnisses („form follows function“).
Schlichte, geometrische Grundformen waren nicht nur die Formel für funktionale Handwerkskunst und zeitloses Produktdesign, sondern auch für nie dagewesene Bauwerke. Der Architektur verhalf das Bauhaus zum Durchbruch in die Moderne. Das lag vor allem an der Verwendung neuer Baustoffe: Mit Stahl, Glas und Beton planten und entwarfen Bauhaus-Architekten die ersten industrialisierten Wohnungsbauten für sozial schwächere Menschen.
Ausflugstipp: Planen Sie demnächst eine Tour durch Deutschland? Dann schauen Sie doch auch einmal bei den wichtigsten Bauhaus-Gebäuden vorbei.
Die Bauhausstätten in Weimar und Dessau zählen heute zum UNESCO-Welterbe. Mit einer kostenfreien App vom Bauhaus Museum Dessau können Sie die Meisterhäuser, Werkstätten und Lehrstuben der Kunstschule bei einer digitalen Tour erkunden.
Schon fünf Jahre nach seiner Gründung musste das Bauhaus Weimar aus politischen Gründen verlassen und zog nach Dessau um. Hier erlebte die Bauhausschule in den Jahren 1925 bis 1932 ihre Blütezeit. Doch weder unter der Leitung von Walter Gropius noch unter seinen Nachfolgern Hannes Meyer und Ludwig Mies van der Rohe war das Bauhaus vor politischen Anfeindungen sicher. Mit zunehmendem Einfluss des Nationalsozialismus musste die Hochschule in Dessau schließen. Ludwig Mies van der Rohe führte das Bauhaus noch ein Semester in Berlin-Steglitz als Privatinstitut weiter, bevor er nach Querelen mit der NS-Politik 1933 die Auflösung des Bauhauses bekanntgab.
2019 feiert das Bauhaus 100-jähriges Jubiläum und zeigte einmal mehr, dass seine Ideen bis heute nachwirken – ob in der Architektur, im Design, in der Malerei, Fotografie oder im Kunsthandwerk.
Der Bauhausstil ist im 21. Jahrhundert noch immer Vorbild für klares, minimalistisches Design und inspiriert Gestalter zu puristischen Entwürfen – seien es Möbel wie der Tisch und Stuhl Pipe vom Münchner Designer Konstantin Grcic oder moderne Neubauten wie das Kubushaus in der Nähe von Darmstadt.
Als „Meister der Form“ lehrten am Bauhaus zahlreiche Künstler, die den Bauhausstil auf vielfältige Weise geprägt haben. Die bekanntesten sind Oskar Schlemmer, László Moholy-Nagy, Lyonel Feininger, Wassily Kandinsky und Paul Klee.
Doch auch viele Studierende der Bauhausschule haben sich mit legendären Entwürfen einen Namen gemacht. Zu den Bauhaus-Klassikern gehören zum Beispiel die Stahlrohrmöbel und der Freischwinger-Stuhl von Marcel Breuer, der Aschenbecher von Marianne Brandt, einer der bekanntesten Bauhaus-Frauen, oder der Barcelona-Sessel von Mies van der Rohe. Unverkennbar ist auch die Tischleuchte von Wilhelm Wagenfeld, die noch immer als „Bauhaus-Lampe“ verkauft wird.